Den einen Schritt weiter: Mischpalettierung bei Gerolsteiner

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18.08.2025 15:00:00

Automatisierte Kommissionierung für folierte PET-Sixpacks – eine Bestandsaufnahme bei Gerolsteiner

Zeit ist bekanntlich Geld. Verkaufsfläche aber genauso. Das ist die Idee dahinter, nicht mehrere sortenreine Paletten nebeneinander zu platzieren. Vielmehr soll eine einzige Palette derart konfektioniert sein, dass der Endverbraucher in jeder Palettenlage sein gewünschtes Produkt findet. Jetzt muss dazu aber je nach Jahreszeit, Verbraucher und Handel ein individuelles Sortenverhältnis palettiert werden. Eine Herausforderung, die Gerolsteiner seit Ende 2023 mit einer automatisierten Kommissionieranlage für folierte PET-Sixpacks löst.

Das mit Mineralwasser und Gerolsteiner ist so etwas wie die Sache mit den Eulen und Athen – es bedarf eigentlich keiner weiteren Erklärung. Denn die Gerolsteiner Brunnen GmbH & Co. KG ist seit Jahren der Anbieter der meistgekauften Mineralwassermarke auf dem deutschen Markt. Anteilseigner der Gerolsteiner Brunnen GmbH & Co. KG sind die Bitburger Unternehmensgruppe mit 51 Prozent sowie die Buse KSW GmbH & Co. mit 32 Prozent. Die übrigen Anteile befinden sich in privatem Streubesitz.

Bekannt ist die Marke mit dem Stern für die kohlensäurehaltigen Mineralwässer Gerolsteiner Sprudel und Gerolsteiner Medium sowie das stille Mineralwasser Gerolsteiner Naturell. Zum Portfolio gehören darüber hinaus die Produkte Gerolsteiner Feinperlig und Ursprung, Gerolsteiner Heilwasser, das Heilwasser St. Gero sowie Erfrischungsgetränke.

 

„Erfolg übersteigt geplante Kapazitäten“

Ein wichtiger Wachstumstreiber der letzten Jahre waren die Sorten Sprudel, Medium und Naturell in der 1,5- und 0,75-l-PET-Flasche als foliertes Sixpack. Diese wurden und werden immer häufiger als sogenannte Mischpaletten nachgefragt. Dabei palettiert Gerolsteiner die Sorten nicht reinförmig, sondern stellt die Lage gemäß den Vorgaben des Handels individuell zusammen. Eine Aufgabe, die bei Gerolsteiner lange Jahre manuell gelöst wurde. Marco Diederichs, Koordinator Technische Planung bei Gerolsteiner, blickt zurück: „Die für die Folgejahre geplante Menge wäre dann aber aufgrund des Erfolgs einfach nicht mehr mit einem vertretbaren Arbeitsaufwand abbildbar gewesen.“ Eine automatisierte Lösung mit den entsprechenden Leistungsreserven sollte es daher auch auf lange Sicht richten. Im Fokus der Neuinvestition standen dabei die Faktoren Leistung, Flexibilität, Bedienbarkeit und Wirtschaftlichkeit.

„Im ersten Schritt haben wir bei den Maschinenbauern angefragt, ob unsere Idee überhaut realisierbar ist. Anschließend haben wir uns Referenzanlagen angeschaut und wurden schließlich bei BMS fündig“, so Diederichs. Eine Entscheidung, die auf einem sehr stabilen Fundament aufbaut: Es wurden bereits vier Projekte in ganz verschiedenen Bereichen und Anwendungen zusammen erfolgreich abgewickelt. Diederichs fasst zusammen: „Die Qualität passt, der Service ebenso - und wir schaffen wichtige Synergien in der Ersatzteilbereitstellung.“

  

In zwei Baustufen umgesetzt

Umgesetzt wurde das Gesamtprojekt in zwei Baustufen. Baustufe 1 umfasste das Gesamtlayout der Anlage, die Lieferung und Installation des Beladers mit den entsprechenden Pufferbahnhöfen für die Sorten Sprudel, Medium und Naturell. Von Seiten Gerolsteiners bereitgestellt und eingebunden wurden ein Palettenscanner, ein -etikettierer sowie der Palettenwickler. Dieser wurde mit einer Hubvorrichtung nachgerüstet, damit der Palettensockel mitgewickelt werden kann, um eine formschlüssige Einheit zu erhalten. Zudem wurden zwei weitere Besonderheiten verwirklicht: Erstens lässt sich das dem Belader vorgelagerte Palettenmagazin vertikal verfahren, um noch ungesicherte Displaypaletten direkt zum Palettenwickler transportieren zu können. So entstand eine autarke Wickelstrecke. Zweitens wurde für den schnellen Wechsel der Zwischenlagen am Belader ein Wechselmagazin vorbereitet. Das leere wird in diesem Fall einfach nur heraus- und das volle wieder eingefahren. Daraus resultiert ein rascher Wechsel mit sehr geringem Aufwand.

In Baustufe 1 erfolgte die Beschickung der Bahnhöfe noch manuell. Die Baustufe 2 beinhaltete dann die Einbringung des korrespondierenden Entladers, dessen Anbindung an die Pufferbahnhöfe sowie alle notwendigen Palettentransporteure. Baustufe 1 ging im November 2022 in Betrieb. Baustufe 2 folgte im Oktober 2023. Ab diesem Moment war die eigentliche Kommissionierung der PET-Sixpacks bei Gerolsteiner frei von manueller Arbeit.

EOL_Packaging-Experts_Blog-Gerolsteiner-Mischpalettierung_Portalpalettierer

Der Entlader übernimmt mit seinen beiden Verfahrachsen neben seiner eigentlichen Depalettieraufgabe auch das Zwischenlagen- und Palettenhandling.

Portalpalettierer als Hauptkomponenten

Hauptkomponenten der Kommissionierlösung sind zwei Portalpalettierer des Typs Unipal 105. Beim Entlader galt es zu beachten, dass die Flasche der Sorte Naturell aufgrund der fehlenden Karbonisierung deutlich flexibler ist und die gesamte Lage abgehoben werden muss. Hier gilt ein spezielles Augenmerk dem inneren Lagenbereich. Gelöst wurde diese Herausforderung durch den in Vorversuchen optimierten höheren Anpressdruck des Klemmgreifers. Der Greiferkopf verarbeitet so Sprudel, Medium und Naturell, ohne dass an der Maschine umgebaut werden muss. Das gilt für beide Flaschentypen. Und wie steht es generell um den Umstellaufwand bei einem Flaschen- oder Palettenwechsel? „Es wird das entsprechende Programm am Touch vorgewählt, dann benötigt es noch einige kleinere Anpassungen an den Führungen, die Paletten müssen selbstverständlich wie gewünscht gewechselt werden – und das war es“, erläutert Diederichs. Beim Bepalettierer spielt der Grad der Karbonisierung aufgrund seines Röllchenkopfes im Gegensatz zum Entlader dagegen keinerlei Rolle.

Der Entlader sollte neben seiner eigentlichen Palettieraufgabe gleichzeitig auch das Zwischenlagen- und Palettenhandling übernehmen. Er wurde dazu mit zwei Verfahrachsen ausgestattet, die insgesamt sechs Palettenstellplätze bedienen. Diese werden manuell von einem Stapler bestückt. Diese sechs Stellplätze teilen sich wie folgt auf: Drei sind Entladespuren für die Sorten Sprudel, Medium und Naturell. Der vierte Entladespur kommt momentan zum Einsatz, wenn von einer der Sorten mehr auf die Mischpalette gesetzt werden soll als von den beiden anderen. Sie kann aber auch jederzeit zur Erweiterung des Sortenspektrums dienen. Jede dieser Entladespuren hat einen Puffer- und einen Entladeplatz. Das heißt, dass eine Palette entladen wird und eine Vollpalette im Zulauf wartet. Diese wird dort entfoliert und läuft dann gemäß Bedarf ein. Auf dem fünften und sechsten Stellplatz setzt die zweite Verfahrachse des Portalpalettieres die Zwischenlagen und die Leerpaletten ab, von denen sie der Stapler abnimmt und abtransportiert.

  

Die individuellen Kommissionierprogramme müssen nur angewählt werden

Beim eigentlichen Kommissioniervorgang werden zuerst drei reinförmige Paletten lagenweise entladen, dann die Sixpacks vereinzelt und je nach Bedarf dem jeweiligen Pufferbahnhof im Längslauf zugeführt. Es folgt eine Zusammenführung. Hier werden die Sixpacks von längs auf quer gedreht. Diese Drehstation ordnet im Zusammenspiel mit dem Reihenschieber die Packs gemäß des vorgewählten Mischschemas der Lage an. Die in der Steuerung hinterlegten entsprechenden Programme müssen dort nur angewählt werden. Prinzipiell sind auch neue Muster direkt am Belader frei zu programmieren oder über die Fernwartung einzuspielen. „Eine Inbetriebnahmebegleitung durch BMS ist jedoch immer sinnvoll, um entsprechende Einstellarbeiten und mögliche Feinjustierungen durchzuführen“, verdeutlicht Diederichs.

Auf diesem Wege lässt sich im Lagenbild jeder Position ein Produkt spezifisch zuordnen. Beispielsweise können auf dem Platz 1 A des Lagenbilds entweder Sprudel-, Medium- oder Naturell-Sixpacks völlig frei platziert werden. Abschließend setzt der Belader die aus den drei Sorten gebildeten Lagen auf die Euro- oder Halbpalette auf. Ein integrierter Applikator legt dabei die gewünschten Zwischenlagen aus Pappe ein.

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Im Lagenbild des Beladers lässt sich jeder Position ein Produkt spezifisch zuordnen. So können die Sprudel-, Medium- oder Naturell-Sixpacks individuell angeordnet werden.


Die Gesamtanlage wird von einem Staplerfahrer ver- und entsorgt. Ein zweiter Mitarbeiter kümmert sich um die Entfolierung im Zulauf des Entladers. Überwacht und bedient wird die Gesamtanlage schließlich von ein bis zwei Mitarbeitern pro Schicht. Es sind demnach für den Gesamtbereich maximal vier Mitarbeiter im Einsatz. Zum Vergleich: Beim rein manuellen Kommissionieren waren es in der Regel sieben Mitarbeiter an der Anlage sowie ein Staplerfahrer - bei einer deutlich geringeren Leistung.

 

11.520 1,5-l-Flaschen pro Stunde Kommissionierleistung

Stichwort Leistung: Die Kommissionierung erreicht bei der 1,5-l-Variante und der Euro-Palette eine Nennleistung von 11.520 Flaschen beziehungsweise 24 Paletten pro Stunde. Im 0,75-l-Bereich ist die reine Flaschenleistung der Gesamtanlage mit stündlich 14.040  Flaschen zwar höher, der Palettenausstoß sinkt jedoch auf 18. Grund hierfür ist, dass die Lage hier etwas anders gebildet und eine Lage mehr aufgesetzt werden muss, was gleichbedeutend mit einem zusätzlichen Arbeitsschritt pro Palette ist. Aktuell spielt der Faktor Maximalleistung aber noch keine zentrale Rolle, wie Diederichs unterstreicht: „Unser Nadelöhr ist der Palettenwickler. Der bremst uns ein. Aber mit Blick auf den reinen Be- und Entladebereich haben wir noch Luft nach oben.“

„Alles hat wie gewohnt gut funktioniert. Das Layout passt, es ist ein sehr sinnvoller Materialfluss“, resümiert Diederichs. Konkret gelöst wurde diese Herausforderung mit einem so genannten Hufeisen-Layout. Die Paletten können dabei auf dem einen Schenkel aufgesetzt und am andern abgenommen werden. So erfolgt die Ver- und Entsorgung von ein und derselben Seite, in der Anlage selbst gibt es keinen Kreuzungsverkehr. Für Diederichs „einfach eine wirklich gute Lösung.“

Beeindruckt zeigt sich Diederichs zudem von der schnellen und reibungslosen Abwicklung der Baustelle. Dazu trugen ganz wesentlich der Einsatz des Baustellenmanagementsystems „LOP 4.0“ und des Engineering-Tools „Virtuelle Inbetriebnahme“ bei.

 

„LOP 4.0“ und „Virtuelle Inbetriebnahme“ als hilfreiche Werkzeuge

„LOP 4.0“ ist ein cloudbasiertes Informationsmanagementsystem, auf das alle Projektbeteiligten zugreifen können. Diese digitale Plattform bildet den aktuellen und künftigen Projektstatus mit höchstmöglicher Transparenz ab. Jeder Projektpartner kann beispielsweise Fotos oder Videos hochladen, nächste Schritte zur Diskussion stellen oder einzelne Punkte priorisieren. Wechselwirkungen auf den weiteren Verlauf werden so sofort sichtbar. Das reduziert Reibungs- und Abstimmungsverluste und führt zu einem hohen Grad an Planbarkeit.

Die „Virtuelle Inbetriebnahme“ wiederum geht weit über die reine Computersimulation hinaus. Das Programm steuert exakt die SPS an, die beim Kunden zum Einsatz kommen wird, und diese wiederum die Simulation. Die in diesen Tests nahezu unter Einsatzbedingungen gewonnen Erkenntnisse helfen, die Anlagenkonstruktion sowie die spätere Inbetriebnahme beim Kunden optimal zu gestalten, was Diederichs ausdrücklich bestätigt: „Wir sind am dritten Tag zum Teil bereits Vollgas gefahren. Die Komponenten waren alle gut vorbereitet.“

  

„Unbürokratisch über das vereinbarte Maß hinaus geschult“

Und eine weitere Sache stellt Diederichs heraus: „BMS hat unbürokratisch und eigentlich auch über das vereinbarte Maß hinaus geschult. Zudem wurde im Nachgang das Bedienprogramm noch einmal an unsere Gegebenheiten angepasst, damit die Bedienung noch intuitiver und damit sicherer erfolgen kann.“ Gerade in Produktionsbereichen mit eher weniger qualifiziertem Personal ein nicht unerheblicher Pluspunkt. Folglich ist es auch nicht verwunderlich, dass das Gesamtfazit von Gerolsteiner überaus positiv ausfällt. Diederichs abschließend: „Es war ein sehr unkompliziertes Projekt, welches mir immer viel Spaß gemacht hat. Mit dem Ergebnis, dass wir jetzt hier eine zuverlässige und bedienerfreundliche Anlage stehen haben, die allen unseren Anforderungen mehr als gerecht wird.“

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